Tarifvertrag ist keine Zauberei

„Engagiert Euch mit uns für mehr Wertschätzung Eurer Arbeit! Wir haben es uns verdient!“

23.10.2017 | „Tarifvertrag!“ Der Betriebsrat bei der Boryszew Oberflächentechnik GmbH in Prenzlau hat sein Ziel klar vor Augen: „Wir wollen endlich weg vom Mindestlohn und von unserer Arbeit leben können.“ Der Weg dahin ist zwar steinig, aber nicht unüberwindbar. „Wenn die Belegschaft sich entschlossen und weitgehend geschlossen mit auf den Weg macht, können wir gemeinsam viel erreichen, auch bei Boryszew“, sagt Peter Ernsdorf, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Ostbrandenburg.

Für mehr Mitbestimmung aktiv – Euer Betriebsrat: Dennis Hoppe (Betriebsratsvorsitzender), Nick Petrat (stellvertretender Betriebsratsvorsitzender), Ursula Tege, Wenke Eckert, Tobias Storbeck (stehend v.l.), Martina Hoppe, Karin Pohl und Christian Stolzmann (vorne v.l.). Auf dem Bild fehlt Doreen Schmidt.

Die Steine lassen sich umso besser aus dem Weg räumen, je mehr Kolleginnen und Kollegen sich beim polnischen Automobilzulieferer in Prenzlau organisieren und engagieren. „Macht mit! Werdet Mitglied! Kandidiert als Betriebsräte und Vertrauensleute, damit Ihr endlich das kriegt, was Ihr verdient!“, fordern Peter Ernsdorf und das neunköpfige Betriebsratsgremium die Belegschaft bei Boryszew zur aktiven Beteiligung auf.

Die Auftragslage bei Boryszew ist gut. Anlässlich der Wiedereröffnung des Prenzlauer Werks nach dem Brand berichtete die Berliner Zeitung im April: „In diesem Jahr will Boryszew in Prenzlau einen Umsatz von 34 Millionen erwirtschaften. Pro Monat sollen eine Million fertige Teile das Werk verlassen.“

Ein kleines Stück vom Kuchen sollte angesichts solcher Zahlen auch für die Belegschaft abfallen. Denn die Kolleginnen und Kollegen sind lange genug in Vorleistung gegangen. Mit ihrem außerordentlichen Einsatz haben sie die Produktion wichtiger Automobilteile für Marken wie Audi, VW oder Toyota in der Wiederaufbauphase nach dem verheerenden Brand auch unter widrigsten Bedingungen aufrecht erhalten: Mit anstrengender Handmontage in zum Teil schlecht belüfteten, fensterlosen Hallen haben sie die zerstörten Maschinen ersetzt, sieben Tage die Woche, rund um die Uhr. „Wir haben alles mitgemacht, um unsere Firma zu retten“, erinnern Betriebsrätinnen Martina Hoppe und Karin Pohl. „Wenn die Firma ruft und Überstunden notwendig sind, finden sich auch jetzt noch immer Kolleginnen und Kollegen, die sofort einspringen“, ergänzt Nick Petrat, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender.  „Das muss endlich auch honoriert werden. Wir leisten gute Arbeit und wünschen uns dafür auch die Wertschätzung, die wir verdienen.“

Dass das auch viele Kolleginnen und Kollegen inzwischen so sehen, belegt der stetig steigende Zuspruch für die IG Metall. Die Mitgliederentwicklung zeigt: Immer mehr Beschäftigte sind schon bereit, sich für bessere Perspektiven und faire Arbeitsbedingungen zu engagieren, wie sie letztlich nur ein Tarifvertrag garantiert. Aber: Der Organisationsgrad muss noch weiter steigen, um mit genügend Druck in Tarifverhandlungen gehen zu können. „Es kommt auf jeden Einzelnen von Euch an“, erklärt IG Metall-Bevollmächtigter Peter Ernsdorf. Betriebsrat und IG Metall können nur mit voller Rückendeckung der Belegschaft gute Ergebnisse erzielen.

 

 „Solche Fachkräfte wie hier sind handverlesen. Deshalb war das ,Ja‘ zu Prenzlau nicht schwer.“ So zitierte die Berliner Zeitung den Boryszew-Standortleiter im April. Höchste Zeit, dass darauf endlich auch ein „Ja“ zu den Beschäftigten folgt – mit einer logischen Konsequenz: Tarifvertrag!

 

Vieles besser mit Betriebsrat

Als der Betriebsrat vor fast zwei Jahren erstmals seine Arbeit aufnahm, war den neun Kolleginnen und Kollegen bewusst, dass sie in Richtung Mitbestimmung bei Boryszew einen weiten Weg vor sich haben. Einige Erfolge hat der engagierte Betriebsrat nach harten Verhandlungen in seiner ersten Amtsperiode bereits erkämpft:

  • Dank einer Betriebsvereinbarung haben langjährige Kolleginnen und Kollegen bei Boryszew mehr Urlaub: Nach 10-, 15- und 20-jähriger Betriebszugehörigkeit erhöht sich der Urlaubsanspruch jeweils um zwei Tage.

  • In der Betriebsvereinbarung Sonderschicht wurden mit der Geschäftsleitung Kriterien erarbeitet, die es den Beschäftigten ermöglichen, in Ausnahmesituationen ­– nach Babypause, Krankheit oder wenn in der Familie Angehörige gepflegt werden müssen – Sonderschichtmodelle zu vereinbaren.

  • Überstunden müssen bis Mittwoch um 12 Uhr beim Betriebsrat beantragt werden, damit der in seiner wöchentlich stattfindenden Sitzung um 13 Uhr über die Bewilligung von Mehrarbeit entscheiden kann.

  • Der Betriebsrat hat regelmäßige Sitzungen mit Betriebsverantwortlichen initiiert, um mögliche Probleme, die sich ankündigen, bereits vor deren Auftreten in Angriff zu nehmen:

    -> 14-tägig mit der Produktionsleitung

    -> monatlich mit der Geschäftsführung
    -> einmal in jedem Quartal mit allen Abteilungsleitern

     

Fazit: Mit Mitbestimmung ist die Welt bei Boryszew in Prenzlau schon jetzt eine andere als vor zwei Jahren. Im kommenden Jahr wird der Betriebsrat turnusgemäß neu gewählt. Die Vorbereitungen dafür laufen bereits an. Gesucht sind auch neue Kandidatinnen und Kandidaten, die die Welt bei Boryszew weiter verbessern und sich für mehr Mitbestimmung engagieren möchten. Die IG Metall unterstützt dabei!

 

 

 

Von: mn

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