Betriebsratswahlen 2022

„Nur meckern bringt nichts, sich aktiv im Betriebsrat engagieren schon.“

30.03.2022 | Die Gesamtsituation beim Automobilzulieferer Boryszew in Prenzlau ist seit Jahren schwierig und angespannt. Das stellt den Betriebsrat dort vor große Herausforderungen und Aufgaben. Der Betriebsratsvorsitzende Dennis Hoppe erläutert, was der Betriebsrat trotz der schwierigen Umstände erreichen konnte, um die Arbeitsbedingungen für die Kolleginnen und Kollegen schrittweise zu verbessern.

Dennis Hoppe ist seit 2015 Betriebsratsvorsitzender bei Boryszew in Prenzlau. - Foto: Volker Wartmann

„Nach zwei zuvor erfolglosen Anläufen ist es uns 2015 gelungen, einen Betriebsrat hier am Standort zu gründen und zu etablieren. Als einer der Initiatoren bin auch ich seitdem dabei, als Betriebsratsvorsitzender. In den folgenden Jahren ist es uns gelungen, grundlegende Verbesserungen für unsere Kolleginnen und Kollegen durchzusetzen. Wir konnten beispielsweise in Verhandlungen mit der Arbeitgeberseite erreichen, dass alle Beschäftigten Anspruch auf 30 Tage Urlaub im Jahr haben, dass Samstags- und Nachtschichtzuschläge gezahlt werden und dass Beschäftigte bei außergewöhnlichen Anlässen freigestellt werden, zum Beispiel bei Hochzeit oder Todesfall in der Familie.

Einen großen Erfolg konnten wir 2019 erreichen, als wir mit Unterstützung der IG Metall nach zähem Ringen mit der Arbeitgeberseite und mehreren Warnstreiks erstmals einen Haustarifvertrag erkämpfen konnten. Diesen Vertrag hat die IG Metall mittlerweile gekündigt, wir fordern jetzt einen Flächentarifvertrag der Holz- und Kunststoffindustrie. Die Verhandlungen mit dem Arbeitgeber gestalten sich allerdings wieder als sehr zäh. Wie viele Unternehmen in der Uckermark haben auch wir hier noch einen großen Aufholbedarf, was eine faire und angemessene Bezahlung angeht. Viele Kolleginnen und Kollegen bei uns verdienen bisher nicht wesentlich mehr als den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn.

Seit Beginn der Coronapandemie ist der Handlungsspielraum des Betriebsrates erheblich einschränkt. Als Automobilzulieferer sind wir unmittelbar vom Auftragseinbruch in der Automobilindustrie betroffen. In der Folge waren bei uns wegen extremer Abrufschwankungen zeitweise mehr als die Hälfte der Kolleginnen und Kollegen in Kurzarbeit.

Eine unserer wichtigsten Aufgaben während der Pandemie war und ist, die Kurzarbeit möglichst sozial gerecht zu planen und zu verteilen. Das gestaltete sich jedoch oft als schwierig, es gab dabei häufig Konflikte mit den Abteilungsleitern. Allerdings ist die Kommunikation im Laufe der Zeit besser geworden. Dass der Arbeitgeber nicht bereit war, eine Aufstockung auf das Kurzarbeitergeld zu zahlen, erschwerte die Situation zusätzlich.

Eine der wichtigsten Aufgaben des Betriebsrates ist perspektivisch die Einführung eines fairen Entgelteingruppierungssystems. Das können wir allerdings erst konsequent angehen, wenn wir einen neuen Tarifvertrag haben. Weil Arbeitsverträge hier bisher individualrechtlich geregelt sind, werden bei uns sogenannte Nasenprämien bezahlt. Das heißt, Beschäftigte werden für gleiche Tätigkeiten unterschiedlich bezahlt. Das ist eine Ungerechtigkeit, die wir nicht akzeptieren können und die abgeschafft gehört.

Die Aufgaben für den Betriebsrat sind insgesamt sehr vielfältig. Wir sprechen bei Arbeitszeitverlagerungen mit, bei der Verteilung von Mehrarbeit, bei der Planung der Kurzarbeit, bei Umstrukturierungen am Standort. Unser Anliegen als Betriebsrat ist es, bei Umstrukturierungen Kündigungen möglichst zu vermeiden. Auch der Gesundheits- und der Arbeitsschutz sind wichtige Arbeitsfelder des Betriebsrats.

Neben den großen Themen wie dem Kampf um einen neuen Tarifvertrag, der Einführung fairer Entgeltgruppen und einer gerechten Verteilung der Kurzarbeit steht der Betriebsrat den Kolleginnen und Kollegen selbstverständlich jederzeit gerne als kompetenter Ansprechpartner zur Seite, sei es bei Fragen zur Stundenabrechnung, zu Stellenausschreibungen, Urlaubsanspruch oder Beschwerden über Vorgesetzte.

Die Unterstützung durch die IG Metall-Geschäftsstelle Ostbrandenburg ist sehr wichtig für unseren Betriebsrat. Wir können uns jederzeit an die IG Metall wenden, sie steht uns bei allen Problemen mit Rat und Tat zur Seite. Die Schulungen, die die Geschäftsstelle für Betriebsratsmitglieder anbietet, sind ebenfalls sehr nützlich und hilfreich für uns.

Als Betriebsrat verfolge ich das Ziel, dass unser Standort langfristig ein richtig attraktiver in der Region wird, mit guten Arbeitsbedingungen und fairer Bezahlung für alle. Die Voraussetzungen dafür sind grundsätzlich vorhanden, wir sind ein modern ausgestatteter Galvanik-Standort, der mit einem guten Management gut am Markt bestehen kann.

Für den Betriebsrat ist es eine große Unterstützung, wenn ihm die Kolleginnen und Kollegen auch mal sagen, was er ihrer Meinung nach besser oder anders machen könnte. Nur Meckern allein bringt nicht viel. Darum appelliere ich an die Kolleginnen und Kollegen, sich auch aktiv zu engagieren und zur Wahl aufstellen zu lassen. Und noch dringlicher appelliere ich an sie, wählen zu gehen. Auch wenn dem Betriebsrat nicht alles gelingt: Ohne Betriebsrat würde vieles im Unternehmen wesentlich schlimmer laufen. Der Betriebsrat ist unverzichtbar und wesentlicher Garant für mehr Mitbestimmung und Demokratie im Betrieb.“

 

Dennis Hoppe, 39 Jahre, arbeitet seit 2006 bei Boryszew in Prenzlau. Er war seitdem in zahlreichen Bereichen und Abteilungen tätig. Anfangs als Maschinenbediener, anschließend nach einer weiteren Ausbildung als Oberflächenbeschichter. Nach mehreren Weiterbildungen ist Dennis Hoppe mittlerweile als Umweltberater im Unternehmen tätig. Die Betriebsratswahlen bei Boryszew finden Ende April 2022 statt. Bei Boryszew arbeiten rund 220 Beschäftigte.

Von: vw

Unsere Social Media Kanäle