Übernahmen - Investoren - Astronergy

Wenn China nach Deutschland kommt

18.07.2017 | Wenn Chinesen deutsche Firmen übernehmen, machen die betroffenen Arbeitnehmer bisher meist gute Erfahrungen damit. Aber Politiker und auch die IG Metall sorgen sich, dass auf Dauer wichtiges Know-how abwandert.

"Wir sind aus der Hölle ins Paradies gekommen", sagt eine Beschäftigte von Krauss Maffei. In der "Hölle" schmoren sahen sie und ihre Kollegen sich bis 2016. In den Jahren davor wurde das Maschinenbauunternehmen nacheinander von drei verschiedenen westlichen Finanzinvestoren gekauft. Sie sparten, bauten Personal ab und investierten kaum, ihr Ziel war schnelle Rendite. Das änderte sich, als im April 2016 ein chinesischer Staatskonzern das Münchner Maschinenbauunternehmen übernahm. Jetzt flossen Gelder: in Anlagen und Personal. Die Belegschaft musste sich keine Sorge mehr um ihre Arbeitsplätze machen und sah die Zukunft wieder optimistisch.

Gute Arbeitgeber

Seit ein paar Jahren sind chinesische Unternehmen auf großer Einkaufstour. 2015 und 2016 gab es eine regelrechte Übernahmeschlacht. Noch nie kauften chinesische Konzerne binnen eines Jahres  so viele deutsche Unternehmen. Darunter bekannte Firmen wie Kuka, Kickert, Putzmeister und Pfaff. Nicht nur bei Krauss-Maffei machen die Beschäftigten bisher gute Erfahrungen mit ihren neuen Arbeitgebern aus Fernost: Die Chinesen achten die Mitbestimmungsrechte weitgehend, halten Tarifverträge ein und bekennen sich zu den deutschen Standorten.

Fleißige Käufer

Doch nicht alle sind über das Interesse der Chinesen an deutschen Firmen nur begeistert. Alarmiert reagierte der damalige Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), als der  Roboterhersteller Kuka in chinesische Hände wechselte. Politiker und auch Experten der IG Metall, wie Christian Weis vom Ressort Globalisierungspolitik beim IG Metall-Vorstand, sorgen sich inzwischen, dass wichtige Zukunftstechnologien, Know-how oder ganze  Wertschöpfungsketten langfristig nicht in Europa gehalten werden können.

Durchlässige Mauer

Um das künftig zu verhindern, hat die Bundesregierung jetzt die Außenwirtschaftsverordnung verändert. Künftig müssen Käufer aus Ländern außerhalb der EU es melden, wenn sie deutsche Firmen erwerben wollen, die "besonders sicherheitsrelevant" sind. Die Regierung hat dann vier Monate lang Zeit, die Übernahme zu prüfen und gegebenenfalls abzulehnen. Mit diesem Hebel lässt sich allerdings nicht viel drehen. Bei den meisten Unternehmen, an denen China interessiert ist, geht es nicht um Sicherheitstechnologie.

Fester Plan

"Die chinesische Regierung verfolgt eine ganz bestimmte Strategie", sagt Christian Weis. "Sie verfährt nach dem Masterplan: Made in China 2025." Das Ziel: Im Westen Firmen kaufen, die technologisch weit vorne sind, um mit ihrer Hilfe die eigene Industrie an die Weltspitze zu führen. Bevorzugte Branchen sind Luftfahrt, Maschinen- und Fahrzeugbau, Umwelttechnologien, Chemie- und Pharmaindustrie. In einigen Bereichen ist China jetzt schon Weltspitze: in der Elektromobilität das Unternehmen ByD (Built Your Dreams); es beliefert den zurzeit größten Markt für Elektroautos: den chinesischen. Bei Drohnen hat China technologisch schon die Führerschaft.

Ungleiche Bedingungen

Die Bundesregierung versucht, mit anderen Ländern, wie Frankreich und Italien, in der EU Regelungen durchzusetzen, um europäisches Know-how zu schützen. Befürworter solcher Maßnahmen argumentieren, dass der Wettbewerb zwischen westlichen Marktwirtschaften und der politisch gelenkten chinesischen Wirtschaft nicht immer fair ist. Chinas Investoren, meist selbst Staatsbetriebe, erhalten billige Kredite aus Staatsfonds. Zudem kann der Staat durch strikte Vorgaben die Wirtschaft in eine bestimmte Richtung steuern. Zum Beispiel, indem er in Megastädten feste Quoten für Elektroautos festlegt. Außerdem macht die Volksrepublik westlichen Firmen, die in der Volksrepublik investieren wollen, Vorgaben, während die Chinesen in Europa weitgehend freie Hand haben.

Zweischneidiges Schwert

Andererseits sind die deutsche und europäische Wirtschaft auf offene Märkte angewiesen. Gerade in China sehen deutsche Hersteller und Investoren einen der wichtigsten Zukunftsmärkte. Und für krisengebeutelte europäische Länder ist es gut, wenn chinesisches Kapital in ihre Volkswirtschaften fließt. Die Hauptschwäche der EU sieht Christian Weis darin, dass sie ihre eigenen wichtigen industriellen Projekte nicht koordiniert, sondern noch zu sehr der vorherrschenden wirtschaftsliberalen Ideologie folgt, dass der Markt alles alleine richtet. Diese Haltung könnte sich bitter rächen. "Wir brauchen dringend eine gemeinsame europäische Industriepolitik, die auf Nachhaltigkeit setzt und strategisch angelegt ist", sagt Wolfgang Lemb, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall. "Nur so erhalten wir die Technologieführerschaft und Wettbewerbsfähigkeit auf den globalen Zukunftsmärkten. Dafür fordern wir einen industriepolitischen Dialog auf europäischer Ebene, an denen neben Wirtschaft und Politik auch wir Gewerkschaften beteiligt sind."

Ende des Paradieses

Chinesische Investoren zwingen nicht nur die Wirtschaft insgesamt und die Wirtschaftspolitik zum Handeln. Auch die Beschäftigten in Betrieben, die chinesische Konzerne gekauft haben, erleben nicht mehr nur "paradiesische" Zustände. Davon kann zurzeit die Belegschaft bei Astronergy ein Lied singen, die in Frankfurt an der Oder Solarmodule herstellt. Seit Frühjahr kämpft die Belegschaft, die zurzeit für knapp 10,80 Euro Stundenlohn arbeitet, um einen Haustarifvertrag. Zwei Warnstreiks gab es schon. "Der Umgang ist zwar besser geworden, als die Chinesen uns übernommen haben", sagt Harald Frick, der Betriebsratsvorsitzende. "Aber die aktuellen Erfahrungen sind enttäuschend."

Von: aw

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