Zukunft des Stahlstandorts Eisenhüttenstadt

Dienstleister des Stahlwerks Eisenhüttenstadt vernetzen sich für die anstehende Transformation in der Stahlindustrie

13.05.2022 | Der in den kommenden Jahren bevorstehende Umbau des Stahlwerks in Eisenhüttenstadt zur Produktion von „grünem Stahl“ hat nicht nur für die Beschäftigten im Stahlwerk gravierende Folgen. Auch die Beschäftigten bei den zahlreichen Dienstleistern und Zuliefern des Stahlwerks werden von dieser Transformation stark betroffen sein. Betriebsrätinnen, Betriebsräte und die IG Metall Ostbrandenburg ergreifen deshalb schon jetzt die Initiative, damit Beschäftigung und Arbeitsplätze in und um den Stahlstandort Eisenhüttenstadt langfristig gesichert werden können.

An der Dienstleisterkonferenz für Zulieferer und Dienstleister des Stahlwerks in Eisenhüttenstadt nahmen Betriebsrätinnen und Betriebsräten von zwölf Unternehmen teil. - Fotos: Volker Wartmann

Holger Wachsmann, Geschäftsführer und Erster Bevollmächtigter der IG Metall Ostbrandenburg, betonte, wie wichtig es ist, die Beschäftigten bei den Dienstleistern und Zuleiferern des Stahlwerks bei dem anstehenden Transformationsprozess einzubinden und mitzunehmen.

Ralf-Peter Boesler, Mitglied der Geschäftsführung bei ArcelorMittal in Eisenhüttenstadt, erläuterte den Teilnehmenden technische Details des anstehenden Umbaus des Stahlwerks.

Arbeitsdirektor Michael Bach versprach, dass es in Folge der Transformation keine betriebsbedingten Kündigungen im Stahlwerk geben werde.

IG Metall-Gewerkschaftssekretär Jörg Ullrich (links) erfragt die Sorgen und Bedenken der Teilnehmenden.

Dirk Vogeler, Betriebsrat im ArcelorMittal-Stahlwerk in Eisenhüttenstadt, unterstrich die Wichtigkeit des Transformationstarifvertrages für die Beschäftigten.

Die teilnehmenden Betriebsrätinnen und Betriebsräte hatten zahlreiche Fragen, die sie auf Tafeln notierten.

Mathias Papendieck (SPD), direkt gewählter Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Oder-Spree, hob die Standortvorteile von Eisenhüttenstadt und Umgebung hervor.

Holger Wachsmann (links) kündigte an, dass die IG Metall Ostbrandenburg auf Wunsch der Teilnehmenden spätestens in einem halben Jahr die nächste Dienstleisterkonferenz in Eisenhüttenstadt organisieren wird.

Auch das RBB-Fernsehen war vor Ort.

Um die aktuellen Entwicklungen am Stahlstandort Eisenhüttenstadt vorzustellen und die Folgen für die Betriebe und die Beschäftigten zu diskutieren, hatte die IG Metall Ostbrandenburg am Freitag, 6. Mai 2022, Betriebsrätinnen und Betriebsräte von zwölf Zulieferern und Dienstleistern des Stahlwerks zu einer Konferenz nach Eisenhüttenstadt eingeladen. Weiteres Ziel der ersten gemeinsamen Veranstaltung dieser Art war, dass sich die Betriebsrätinnen und Betriebsräte miteinander vernetzen, um gemeinsam Handlungsoptionen entwickeln zu können, mit denen sie die bevorstehenden Herausforderungen bewältigen und Arbeitsplätze in ihren Betrieben auch zukünftig erhalten können.

„Die Zeit drängt. Wir haben den Eindruck, dass sich viele Arbeitgeber und Beschäftigte der Dimension der anstehenden Transformation noch nicht bewusst sind“, sagte Holger Wachsmann, Geschäftsführer der IG Metall Ostbrandenburg. „Die Unternehmen müssen sich jetzt auf die kommenden Veränderungen vorbereiten, um zukunftsfähig zu bleiben und Arbeitsplätze in und um Eisenhüttenstadt langfristig zu sichern.“

Welche Personalplanungs- und Entwicklungskonzepte brauchen wir? Welche Anforderungen an Arbeit und Qualifizierungen wird es in Zukunft geben? Zahlreiche Jobs werden in Folge der Transformation in Zukunft in ihrer jetzigen Form nicht mehr erforderlich sein, viele neue Jobs mit anderen Qualifikationen benötigt werden. Entscheidend für die Sicherung von Arbeitsplätzen ist deshalb, dass die Beschäftigten rechtzeitig entsprechende Möglichkeiten erhalten, um sich weiterbilden und -qualifizieren zu können.

Um diesen Prozess im Sinne der Beschäftigten zu gestalten, müssen Betriebsräte ihre Mitbestimmungsrechte konkret und effektiv nutzen können, so die Forderung der Teilnehmenden. Außerdem müssen die Arbeitsbedingungen und Verdienstmöglichkeiten bei den Dienstleistern und Zulieferern geregelt werden, forderten viele Teilnehmer, damit es für die Beschäftigten lohnenswert ist, weiterhin dort zu arbeiten. „Das Werkzeug dazu heißt Tarifvertrag“, so Holger Wachsmann, Geschäftsführer der IG Metall Ostbrandenburg. Bei ArcelorMittal fordert die IG Metall bereits einen Transformationstarifvertrag. Auf der Konferenz wurde klar, dass es auch bei den Dienstleistern Tarifbewegungen braucht, um Sicherheit für die Beschäftigten zu schaffen.

Der Veränderungsdruck auf die Stahlindustrie in den kommenden Jahren ist immens. Die großen Treiber der Veränderungen sind vor allem die Themen Wasserstoff und Dekarbonisierung. Inzwischen ist bekannt, dass ArcelorMittal den alten Kohlehochofen bis Ende 2025 durch zwei neue, mit Wasserstoffenergie und Gas betriebene Elektroöfen ersetzen möchte, um den Ausstoß des Klimagases CO2 bereits mittelfristig drastisch zu senken. Der möglichst schnell zu errichteten Versuchsanlage zur Direktreduktion von Eisenerz soll später eine Anlagenkapazität zur kompletten Eigenversorgung mit Eisenschwamm am Standort Eisenhüttenstadt folgen.

Zu Beginn der Konferenz erläuterte Ralf-Peter Boesler, Geschäftsführer Primary von ArcelorMittal Eisenhüttenstadt, den Teilnehmenden die CO2-Strategie von ArcelorMittal und den dafür notwendigen Umbau des Stahlwerks detaillierter. Infolge des Umbaus soll der CO2-Austoß des Stahlwerks im Vergleich zu heute bis 2026 bereits um 72 Prozent reduziert werden, bis 2030 sogar schon um 93 Prozent. Im Jahr 2050 soll grüner Stahl im Stahlwerk klimaneutral produziert werden können, so Boesler. Boesler betonte, dass ArcelorMittal bei den Investitionen für die Umstellung der Produktion hin zu grünem Stahl unbedingt eine große, finanzielle Unterstützung der Politik benötige. Ohne öffentliche Investitionen sei die angestrebte Transformation nicht möglich. Boesler sagte zum Abschluss seines Vortrags: „Es ist noch ein langer Weg, den wir zu gehen haben.“ Zur CO2-Reduzierung gebe es „keine Alternative“, sagte Boesler auf Nachfrage eines Betriebsrates nach einem „Plan B“.

Arbeitsdirektor Michael Bach versprach in seinem Vortrag, dass es in Folge des Umbaus keine betriebsbedingten Kündigungen im Stahlwerk geben werde. Allerdings würden nach dem Umbau im Jahr 2030 etwa 300 Arbeitskräfte weniger benötigt. Auch bei den Dienstleistern und Zulieferern würden Arbeitsplätze wegfallen, so Bach. Zurzeit arbeiten annähernd 2.800 Kolleginnen und Kollegen im Stahlwerk. 2030 sollen es nach den Plänen ArcelorMittals dann etwa 2.500 Beschäftigte am Standort sein. Bach unterstrich die Wichtigkeit von „Qualifizierungsprozessen“, während und nach der Umstellungsphase. „Dafür brauchen wir viele Instrumente“, so Bach. „Eine Möglichkeit besteht auch in der Einrichtung branchenspezifischer Transfergesellschaften.“

Der Betriebsratsvorsitzende im Stahlwerk Eisenhüttenstadt, Dirk Vogeler, betonte die Wichtigkeit eines Transformationstarifvertrages für die Beschäftigten. „Wir müssen die Kolleginnen und Kollegen bei der Transformation mitnehmen, sie müssen Möglichkeiten haben, sich an diesem Prozess zu beteiligen.“ Vogeler stellte klar: „Klares Ziel ist der Erhalt des gesamten integrierten Hüttenwerkes am Standort Eisenhüttenstadt.“ Er forderte eine Standortgarantie von Konzern und Politik bis mindestens zum Jahr 2045. Vogeler prangerte die derzeit fehlende Geschwindigkeit in der Politik an. „Die Förderung funktioniert in anderen Ländern wesentlich schneller und besser als bisher in der EU“, so Vogeler. „Deshalb müssen wir weiter kontinuierlich Druck auf die Politik machen.“

Sozialdemokrat Mathias Papendieck, direkt gewählter Bundestagsabgeordneter im Landkreis Oder-Spree, versprach den Anwesenden seine politische Unterstützung. Die SPD sehe in puncto betrieblicher Mitbestimmung noch erhebliche Handlungsbedarfe, so Papendieck. Er informierte die Anwesenden über geplante Änderungen des Betriebsverfassungsgesetzes und diskutierte mit den Betriebsrätinnen und Betriebsräten darüber. Er appellierte aber auch an die Betriebsräte: „Um mehr Mitbestimmung durchsetzen zu können, braucht es einen hohen Mobilisierungsgrad. Und dafür braucht es eure Unterstützung. Ohne eine ausreichende Mobilisierung sind wir gegenüber den Arbeitgebern immer in der Defensive.“

Wir können nur gemeinsam etwas erreichen, waren sich die Teilnehmenden aus den Dienstleister- und Zuliefererbetrieben einig. Die Betriebsrätinnen und Betriebsrätinnen verabredeten deshalb, sich in spätestens einem halben Jahr erneut zu treffen, um ihre Vernetzung untereinander voranzutreiben. Holger Wachsmann kündigte daraufhin an, dass die IG Metall Ostbrandenburg im kommenden Herbst die nächste Dienstleisterkonferenz organisieren wird.

 

 

 

Von: vw

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