Erster Warnstreik bei ArcelorMittal in Eisenhüttenstadt

Zweistündiger Warnstreik: Metallerinnen und Metaller aus Eisenhüttenstadt senden unmissverständliches Signal Richtung Arbeitgeberseite

05.12.2023 | Stahlwerkweit – streikbereit: Unter diesem Motto traten rund 600 Metallerinnen und Metaller vom ArcelorMittal-Stahlwerk und mehreren Dienstleistern des Stahlwerks in Eisenhüttenstadt am 5. Dezember ab sechs Uhr in der Früh in einen zweistündigen Warnstreik. Sie untermauerten damit ihre Forderungen in der diesjährigen Stahl-Tarifrunde: 8,5 Prozent mehr Lohn in den kommenden zwölf Monaten und kürzere Wochenarbeitszeiten. Die Arbeitgeberseite hat in den bisherigen Verhandlungen lediglich 3,1 Prozent Lohnerhöhung bei einer Vertragslaufzeit von 15 Monaten angeboten, über mögliche Arbeitszeitverkürzungen überhaupt nur zu reden war sie bisher noch gar nicht bereit.

Am ersten Warnstreik bei ArcelorMittal am 5. Dezember beteiligten sich insgesamt rund 600 Kolleginnen und Kollegen. Hier zu sehen: die Streikenden vor Tor 1. - Fotos: Volker Wartmann

Stephan Vetter (rechts), zuständiger Tarifsekretär bei der IG Metall Berlin-Brandenburg-Sachsen, erläutert den Streikenden die Forderungen der IG Metall.

Holger Wachsmann, Geschäftsführer der IG Metall Ostbrandenburg, bei seiner Ansprache an die Kolleginnen und Kollegen vor Tor 2.

Auch vor Tor 2 hatten sich viele Kolleginnen und Kollegen versammelt.

Für die Sreikenden gab es literweise heißen Kaffee.

Streikende Metallerinnen und Metaller vor Tor 3.

Die Forderungen der Kollegen sind unmissverständlich.

Holger Wachsmann gibt dem RBB ein Interview.

Ein Unding: Im Osten sind mobile Endgeräte für Auszubildende keine Selbstverständlichkeit.

Mit einer warmer Kopfbedeckung ließen sich die kalten Temperaturen gut aushalten.

Warnstreik in der Vorweihnachtszeit

Es war stockfinster und spürbar unter null Grad kalt an diesem frühen Spätherbstmorgen, als sich die Streikenden um sechs Uhr vor den Toren 1, 2 und 3 des Stahlwerks versammelten – mit der Folge, dass die Produktion im Werk in den folgenden zwei Stunden komplett stillstand. Diese widrigen äußeren Umstände konnten den Streikenden jedoch nichts anhaben. Sie wärmten sich mit heißem Kaffee und heißen Bockwürsten an den aufgestellten Feuerkörben, die die Kollegen von der Werksfeuerwehr um Punkt sechs Uhr in Minutenschnelle für die Streikenden entflammt hatten. Außerdem spendierte die IG Metall Ostbrandenburg Hand- und Fußsohlenwärmer sowie Mützen für frierende Kolleginnen und Kollegen.

„Die 3,1 Prozent mehr, die die Arbeitgeber bisher angeboten haben, sind mehr als mickrig“, sagte Stephan Vetter, zuständiger Tarifsekretär der Bezirksleitung Berlin-Brandenburg-Sachsen in seiner Ansprache an die Kolleginnen und Kollegen. „Damit lassen wir uns nicht abspeisen. In den vergangenen anderthalb Jahren ist alles viel teurer geworden. Darum ist unsere Forderung nach einer tabellenwirksamen Erhöhung um 8,5 Prozent mehr als berechtigt.“

Die Forderung zur Einführung der 32-Stunden-Woche in der Stahlindustrie begründete Vetter wie folgt: „Langfristige Beschäftigungssicherung kann nur durch die 32-Stunden-Woche mit vollem Entgeltausgleich erreicht werden. Die kategorische Verweigerungshaltung der Arbeitgeber in Bezug auf diese Forderung ist nicht nachvollziehbar: Es ist doch jedem klar, dass die Arbeitszeitverkürzung nicht von heute auf morgen eingeführt wird.“

Mit Blick auf die nächste gemeinsame Verhandlungsrunde für die nordwestdeutsche und ostdeutsche Stahlindustrie in Nordrhein-Westfalen am kommenden Donnerstagnachmittag sagte Vetter: „Jetzt müssen sich die Arbeitgeber endlich bewegen. Wir fordern von ihnen, dass sie auf uns zukommen, denn wir wollen Fortschritte erzielen.“

Holger Wachsmann, Geschäftsführer der IG Metall Ostbrandenburg, ging näher auf die spezielle Situation im Stahlwerk Eisenhüttenstadt ein. „Wir haben hier im Stahlwerk in Eisenhüttenstadt zurzeit die 32-Stunden-Woche, allerdings mit Entgeltabstrichen. Der Haustarifvertrag, der dies ermöglicht, ist allerdings ab 2025 kündbar. Darum ist es auch für uns hier extrem wichtig, dass wir die 32-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich über einen Flächentarifvertrag erreichen.“

Wachsmann erläuterte auch die Extraforderung der IG Metall-Jugend im Osten in dieser Tarifrunde: „Wir fordern, dass die Arbeitgeber den Auszubildenden endlich digitale Endgeräte zur Verfügung stellen. Im Westen der Republik ist das schon lange selbstverständlich.“

Wachsmann stellte klar: „Wenn die Arbeitgeber jetzt nicht endlich auf uns zukommen, wird dieser Warnstreik heute nicht der letzte gewesen sein. Wir lassen uns nicht veräppeln und gehen keine faulen Kompromisse ein. Und wenn es sein muss, machen wir auch nach Weihnachten noch weiter.“

Neben den Eisenhüttenstädter Stahlwerkerinnen und Stahlwerkern beteiligten sich Kolleginnen und Kollegen von mehreren Dienstleistern, die auf dem Gelände des Stahlwerks angesiedelt sind, an dem Warnstreik: von Imperial Con-Pro, ArcelorMittal Recycling, ArcelorMittal Transport, ArcelorMittal Forschungs- und Qualitätszentrum und Vulkan Energiewirtschaft Oderbrücke (VEO).

Zum Hintergrund: Die Arbeitgeber haben in der aktuellen, gemeinsamen Tarifrunde der nordwestdeutschen und ostdeutschen Stahlindustrie bisher lediglich eine Entgelterhöhung um 3,1 Prozent für 15 Monate angeboten. Die IG Metall fordert eine Erhöhung der Monatsentgelte um 8,5 Prozent bei einer Laufzeit von 12 Monaten. Zudem will sie eine Arbeitszeitverkürzung durchsetzen. Dies lehnten die Arbeitgeber bisher kategorisch ab. Auf die weiteren Forderungen der IG Metall nach Beschäftigungssicherung, einer Regelung zu Werkverträgen und Altersteilzeit gingen sie bisher erst recht vage ein, vor allem in puncto Altersteilzeit besteht noch erheblicher Kompromissbedarf auf Arbeitgeberseite.

 

Von: vw

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