19.05.2020 | Die Kita- und Schulschließungen über viele Wochen haben Eltern an ihre Grenzen gebracht. Doch auch mit den langsamen Öffnungsschritten sind für viele die Vereinbarkeitsprobleme längst nicht behoben. Die IG Metall setzt sich deshalb für eine Familiensoforthilfe ein.
Die Ungewissheit, wann es in der Kita endlich weitergeht, finanzielle Ängste, Nachtschichten im Homeoffice, für die Kinder Lehrer und Betreuer sein, und auch noch die Hausarbeit – das zermürbt viele Eltern. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie bringen Mütter und Väter an ihre Belastungsgrenze – und oft auch darüber hinaus.
Inzwischen werden die flächendeckenden Kita- und Schulschließungen zwar schrittweise gelockert, aber viele berufstätige Eltern werden in den nächsten Wochen weiter improvisieren müssen. Das geplante und zum Teil bereits angelaufene Wiederhochfahren der Wirtschaft wird die Vereinbarkeitsprobleme aller Voraussicht nach noch verschärfen.
Zentrales Ziel ist es, möglichst vielen die Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit zu ermöglichen. Bund und Länder müssen den Schutz des Kindeswohls, die Interessen von berufstätigen Eltern und den Infektionsschutz allerdings genau abwägen. Wo es sinnvoll ist und es der Arbeits- und Gesundheitsschutz zulässt, sollten Schulen und Kitas weitgehend öffnen, damit Mütter und Väter ihre Tätigkeit wieder regulär aufnehmen können.
Doch auch mit den langsamen Öffnungsschritten sind für viele die Vereinbarkeitsprobleme längst nicht behoben. Wir fordern deshalb eine Familiensoforthilfe und diese Maßnahmen:
Eltern, die keine Betreuungsmöglichkeiten haben, können derzeit nach Paragraf 56 Absatz 1a Infektionsschutzgesetz sechs Wochen lang eine Verdienstausfallentschädigung in Höhe von 67 Prozent – höchstens aber 2.016 Euro – erhalten, wenn sie aufgrund behördlich geschlossener Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen nicht arbeiten können.
Allerdings gibt es bei der Anwendung des Gesetzes einige Probleme. Unter anderem läuft die Sechs-Wochen-Frist absehbar für viele Eltern aus. Außerdem ist die Höhe des Entschädigungsanspruchs von 67 Prozent auf Dauer für Familien unzureichend. Um Familien vor finanziellen Problemen zu schützen, ist also eine schnelle Lösung notwendig. Da davon auszugehen ist, dass die Kinderbetreuung noch für einen längeren Zeitraum nicht im Regelbetrieb stattfinden kann, müssen Lösungen gefunden werden, die dauerhaft tragen.
Wie groß das gesamtgesellschaftliche Problem ist, die die wochenlangen Schul- und Kitaschließungen mit sich bringen, zeigt eine Berechnung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). „Der gesamte Arbeitsausfall aufgrund von Kita- und Schulschließungen beläuft sich bei diesen Eltern bis Ende April auf geschätzte 55,8 Millionen Arbeitstage", schreiben die Autoren. Der Effekt ist so groß, als hätte jeder und jede Erwerbstätige in Deutschland 1,2 Tage weniger gearbeitet.
Rückschritt bei der Gleichberechtigung: Die in der Corona-Krise zusätzlich anfallende Betreuung von Kindern wird hauptsächlich von Frauen geleistet. So lautet das zentrale Ergebnis einer Studie, die das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung veröffentlicht hat. Weil Kitas und Schulen wochenlang geschlossen waren und der Regelbetrieb noch in weiter Ferne liegt, müssen etliche Kinder zu Hause betreut und unterrichtet werden. Es sind der Studie zufolge vor allem Frauen, die ihre Arbeitszeit reduzieren, um dieser Aufgabe nachzukommen – nämlich 27 Prozent der befragten Mütter mit Kindern unter 14 Jahren, aber nur 16 Prozent der Väter.
60 Prozent der Paare, die sich vor der Krise die Kinderbetreuung geteilt hatten, tun das laut der Studie in der jetzigen Situation nicht mehr. Bei einem Drittel übernahmen die Frauen mehr Sorgearbeit, bei zehn Prozent die Männer.